In den kommenden Wochen und Monaten wird man in der Kommunikation von Reichweitendaten immer wieder auf eine neue Größe stoßen: Die Reichweite von "Programmmarken". Dieses neue Konstrukt hat die AGF Videoforschung in diesem Jahr eingeführt. Es soll die Antwort auf die Frage liefern, wieviele Menschen ein Sender mit Inhalten einer bestimmten Marke - also beispielsweise "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten", "Germany's Next Topmodel", der "heute-show" oder dem "Tatort" innerhalb einer Woche eigentlich erreicht hat.

Die Definition der AGF liest sich etwas sperrig so: "Als Bewegtbild-Aggregat fasst die Programmmarke alle inhaltsgleichen, inhaltsähnlichen und thematisch verwandten Videos (breiter: Inhalte) serieller/ häufig wiederkehrender Formate unter einem Markendach plattformübergreifend zusammen. Die Programmmarke kann daher als Summe aller Bewegtbildinhalte eines spezifischen Angebots eines Bewegtbildanbieters verstanden werden, das mit einem Markennamen verbunden ist."

Hier geht also die Nutzung egal ob im linearen TV oder online ein - sofern sie denn auf Plattformen stattfindet, die von der AGF gemessen werden, was beispielsweise YouTube ausschließt, nachdem die Zusammenarbeit hier ja vor einigen Jahren geplatzt ist. Analog zu anderen Streaming-Zahlen der AGF setzt man auf einen hybriden Mess-Ansatz: Dabei werden Messdaten aus den Desktop- und Mobilepanels in das AGF-Panel fusioniert und über das statistische Verfahren der Kalibrierung mit den Zensusdaten - also den in einer Vollerhebung gemessenen absoluten Abrufzahlen - in Beziehung gesetzt.

Berücksichtigt werden hier nun nicht nur komplette Sendungen, sondern beispielsweise auch Ausschnitte und kurze Schnipsel, ergänzende Web-Only-Clips mit zusätzlichen Inhalten, Livestreams des linearen Programms oder auch zusätzliche Streams, beispielsweise aus einem Backstage-Bereich - also alles, was man sich an Bewegtbild-Inhalten unter einer Marke vorstellen kann. Dazu kommt: Von einer aktuellen TV-Ausstrahlung ist die Reichweiten-Erhebung der Programmmarken - anders als bei den bekannten Streaming-Hitlisten der AGF zu den meistgestreamten Sendungen - obendrein unabhängig. Auch wenn beispielsweise ältere Ausschnitte noch einmal stark genutzt werden, schlägt sich das in der Reichweite der Programmmarke nieder.

Wichtig aber: Angegeben wird eine Nettoreichweite - also wieviele Menschen mit mindestens einem Video-Inhalt einer Marke in Kontakt kamen. Diese Zahlen sind natürlich in keiner Weise vergleichbar mit klassischen TV-Quoten oder auch mit den Streaming-Abrufzahlen. Künftig gilt es also noch genauer als bislang hinzuschauen, auf welche Daten da eigentlich verwiesen wird.

Neue Zahlen für die Online-Nutzung

Die neuen Zahlen versprechen trotzdem interessante neue Einblicke - insbesondere in die Streaming-Nutzung. Sender verweisen zwar schon seit Jahren auf angeblich hohe Online-Reichweiten einiger Formate - in Zeiten sinkender linearer Reichweiten um so mehr. Doch wenn es um konkrete Zahlen ging, dann blieb man bislang meist stumm, insbesondere die Streaming-Angebote der Privatsender blieben häufig eine Blackbox. Mit der Veröffentlichung von Top 5-Listen für jede Sendergruppe durch die AGF lässt sich künftig zumindest ein Stück weit nachvollziehen, was dort besonders gut funktioniert.

Wie stark die Sender künftig auf diese neue Form der Reichweitenausweisung setzen und wie sie im Markt angenommen wird, bleibt freilich erstmal noch abzuwarten. Große Stücke hält man in jedem Fall bei RTL Deutschland darauf, das die Daten künftig wöchentlich veröffentlichen möchte.

Inga Leschek, Programmgeschäftsführerin von RTL und RTL+ und designierte CCO von RTL Deutschland, erklärt auf DWDL-Anfrage: "Wir haben bei RTL Deutschland starke Marken in unserem Bewegtbild-Portfolio und denken längst plattformübergreifend. Daher ist die Ausweisung von Programm-Marken mit vergleichbaren Kennzahlen für TV und Streaming die logische Konsequenz und hilft uns und dem Markt, eine ganzheitliche Sicht auf eine Marke und ihren Erfolg beim Publikum zu bekommen. Für die optimale Ausspielung einer Marke über mehrere Verbreitungswege ist es von zentraler Bedeutung, diese Daten zu kennen."

Wie hilfreich die Daten tatsächlich sind, wird aber auch davon abhängen, wie gut die Sender die Ausweisung der Programmmarken pflegen und wie sinnvoll die Inhalte zu Marken zusammengefasst werden. Einfach alle Spielfilme oder alle Dokus, die ein Sender über eine Woche hinweg gezeigt hat, in einer Programmmarke zusammenzufassen, erscheint nur mäßig sinnvoll, wird aktuell aber von mehreren Sendern so praktiziert. Man darf gespannt sein, ob sich daran noch etwas ändert und wie sich das künftig einpendeln wird.

Hilft das in der Vermarktung?

Bleibt die Frage, was man sich als Sender von hohen crossmedialen Reichweiten für Programm-Marken eigentlich kaufen kann? Sprich: Hilft das eigentlich in der Vermarktung? Inga Leschek ist davon überzeugt: "Hier entstehen Daten und Insights, die der Markt in der Form noch nicht kennt. So können neben einzelnen Formaten auch Webonly-Formate als Programm-Marken ausgewiesen werden." Man könne sie zudem so flexibel anlegen, dass sie "passgenau für den Werbemarkt" konfektioniert werden können.

Mit dem AGF-Projekt "X-Reach" wird obendrein auch noch neben TV und Streaming die Reichweite über Display erfasst. "Damit können für beliebige Zielgruppen Alleinstellungsmerkmale und Überschneidungen der Gattungen für einzelne Programm-Marken analysiert werden. Das ist auch für die Kampagnensteuerung ein interessanter Mehrwert", heißt es bei RTL.

Und wie geht DWDL mit den Daten um?

DWDL wird künftig einmal wöchentlich auf die neuesten Daten zu den Nettoreichweiten der Programmmarken blicken. Die Zahlen liegen dabei immer für die vorletzte Woche vor. Damit erweitern wir das Spektrum unserer Reichweiten-Betrachtung um einen weiteren Aspekt - zusätzlich zu den täglichen Quoten-Analysen, dem exklusiven wöchentlichen Blick auf die endgültig gewichteten Quoten inklusive zeitversetzter Nutzung und der umfangreichen Auswertung der Monatsmarktanteile.

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