Damian Hardung, Sie sind wie alle Kinder der Generation Z vermutlich auch mit Harry Potter aufgewachsen.

Ich war eher Team "Star Wars" als Team Hogwarts, hab‘ die Bücher aber schon gelesen, mein erstes Englisches Buch sogar. Guter Einstieg.

Und waren dabei eher Team Slytherin oder Team Gryffindor, also beim bösen Draco Malfoy oder beim guten Harry Potter?

Team Harry! Aber als Schauspieler, darauf wollen Sie ja vermutlich hinaus, sind Antagonisten wie Draco Malfoy natürlich spannender.

Oder jetzt der aristokratische Schnösel James Beaufort in „Maxton Hall“?

Ganz genau. Charaktere, die anecken, Risse haben, eine gewisse Widersprüchlichkeit haben und verletzlich bleiben. Rollen, die nur Opfer oder Täter sind, interessieren mich nicht. Fast jeder trägt ja beide Seiten in sich.

Bis das klar wird, muss James aber erstmal ein wandelndes Elitecollege-Klischee sein: Reich, arrogant, mächtig, schön, sportlich, Schulteam-Captain. Ist das nicht too much?

Nicht für mich, denn ich wusste ja, wohin es ihn führt. Und vermutlich verstehen auch die Zuschauer, dass es so eindimensionale Figuren wie den James Beaufort der ersten zwei Folgen gar nicht gibt.

Schön wär’s! Vermutlich sind Internate in England und Deutschland voll elitärer Lackaffen, die im Rolls Royce vorfahren und den Pöbel verachten…

Auch das ist eine klischeehafte Abarbeitung von dreidimensionalen Menschen. Ich war ja selbst mit 14 an so einer Private-School.

Als Hochbegabten-Stipendiat in New York.

Was ich mir sonst niemals hätte leisten können. Und es sah da nicht nur aus wie in Hogwarts. Viele meiner Mitschüler gehörten materiell zu den Privilegiertesten der Privilegierten.

Fühlt man sich als materiell weniger Privilegierter geschmeichelt, kurz mal Teil der oberen Zehntausend zu sein?

Nee, das hat mir eher gezeigt, wie viel Trauer und Schmerz hinterm Glanz der Fassade steckt. Weil die meisten wie in Maxton Hall auf Spitzenunis der Ivy-League wollen, ist der Druck ja immens. Die haben ab der Grundschule oft weder Kindheit noch ausreichend Zeit fürs Privatleben. Das hat mich eher abgeschreckt.

Und die Rückkehr nach Deutschland erleichtert?

Na ja, ich war schon damals leistungsorientiert; die Oberstufe in NRW war daher erstmal ein echter Kulturschock (lacht). Hätte mich ein anderes Studium als Medizin interessiert, wäre ich womöglich auch in den USA geblieben, aber mehrere hunderttausend Dollar an Studiengebühren haben mich dann doch davon abgehalten.

Haben Sie in New York denn wenigstens ein paar Figuren entdeckt, die nun als Vorbilder in „Maxton Hall“ dienen?

Bei mir sind eher bestimmte Verhaltensweisen und Codes haften geblieben als Personen. Außerdem ist meine Serienfigur in Roman und Drehbuch ausreichend beschrieben; da brauchte ich kein Anschauungsmaterial. Die emotionale Verknüpfung ist schauspielerisches Handwerk.

Sie sind also kein Lee-Strasberg-Schultyp, der Rollen aus seiner eigenen Persönlichkeit zu holen versucht?

Ich bin großer Fan der Chubbuck-Methode. Dafür definiert man die Ziele der Rolle auf einer so basalen Ebene, dass es für jeden Zuschauer zugänglich ist. Wie ein Übersetzungsprozess, um sich mit der Rolle organisch zu verbinden. Ich benutze die zwar nicht ständig, habe sie aber gerne in der Hinterhand, um emotionalen Zugang zu finden.

Wählen Sie nach dieser Methode auch Rollen aus oder dient sie nur der Ausgestaltung?

Indirekt, ja. Bereits beim Lesen des Buches sucht man übergeordnete Themen der Figur und die Hindernisse auf dem Weg zum Ziel. Dann fallen Lücken im Buch auf, wenn bei der Rolle zum Beispiel die Hindernisse zum Ziel nicht ausreichend sind und es daher zu keiner innerlichen Reise kommt.

Aber ist es nicht interessanter, eine Rolle zu spielen, die im Drehbuch noch gar nicht fertig ist, sondern beim Spielen entwickelt werden kann?

Hängt davon ab, ob du die Sprache der Leute, mit denen du arbeitest, sprichst und deren Visionen teilst oder zumindest verstehst. Nur dann lässt sich ein Vakuum in der Geschichts- oder Figurenzeichnung füllen. Wenn das Team passt, ist so was eine Riesenfreude. Wenn man unterschiedliche Standpunkte vertritt, würde ich die Finger von der Improvisation lassen.

Hier macht Prime einen Bestseller zur Serie, die weltweit Erfolg haben könnte. Beim Interviewtag wollen jedenfalls Journalist*innen aus mindestens 25 Ländern mit Ihnen reden. Kam die Entscheidung zu „Maxton Hall“ da nur von Herzen oder war es auch eine strategische Wahl des Managements?

Es mag naiv klingen, aber bislang habe ich das Glück, dass die Menschen meines Vertrauens solche Entscheidungen immer im Einklang mit mir treffen, also nicht an meinem Herzen vorbei. Dabei darf man dann natürlich auch strategisch sein. Die Filmbranche ist schließlich auch ein Business.

Beinhaltet dieses Kalkül auch, dass der schöne Damian Hardung nun dauernd Figuren wie den reichen Schnösel James Beaufort kriegt, weil sein reicher Schnösel in „Gestern waren wir noch Kinder“ 2023 gut funktioniert hat?

Da muss man in der Tat aufpassen, aber Angst habe ich davor keine – auch wenn die Medien gern auf der Suche nach Stereotypen sind (lacht). Wir drehen grad die 4. Staffel „How to sell Drugs“, wo ich der totale Dödel bin. Voriges Jahr habe ich einen Vergewaltiger gespielt. Im ZDF bin ich bald ein Vampir. Mein Portfolio verteilt sich auf den ganzen Schrank, nicht einzelne Schubladen. Und als mir dieses Buch hier vorgelegt wurde, wollte ich das Thema Liebe wirklich verhandeln. Ich stehe doch nicht drei Monate am Set, ohne ein Gefühl der Verbundenheit zur Story und meiner Figur.

Aber wenn Quentin Tarantino jetzt hier reinschneit und Ihnen eine Nebenrolle anbietet, würden Sie dafür doch jedes Arthouse-Projekt wieder absagen, oder?

Auch da würde ich natürlich das Buch lesen; für nur blöd in der Gegend rumstehen reicht mir Tarantino in der Vita nicht. Nein sagen zu können, ist sicher ein Privileg, aber am Ende ist es ja auch Lebenszeit…

Als angehender Arzt könnten Sie sogar zum Schauspiel nein sagen!

Und genau die Freiheit ist mir so wichtig daran. Wobei die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie mir schon nächstes Jahr nehme, äußerst gering ist.

Die Sie sich nebenbei nicht nur mit einem Ihrem Medizin-Studium, sondern sozialem Engagement vollpacken. Es scheint, als hätte Ihre Woche nicht 24/7, sondern 25/8…

Es gibt schon extrem anstrengende Tage. Vorige Woche war ich ständig bis vier in der Klinik und hatte danach Nachtdreh in Köln. Mir bleibt zwar noch Zeit, auch mal rumzuhängen. Aber am Ende ist das alles auch ein Versuch, möglichst viel Leben in die Existenz zu packen. Ich wollte es schon immer lieber in Sinuskurven als einer Gerade verlaufen lassen.

"Maxton Hall" steht ab 9. Mai bei Prime Video zum Streamen bereit